Warum wir den Rechtsweg beschreiten

Wie bereits im letzten Artikel vom 6.August 2019 ausführlich erläutert, hat der Landkreis Emsland drei-jährige Pumpversuche mit dem Ziel einer langfristigen Grundwasserentnahme in Lengerich-Handrup genehmigt, ohne dass aus unserer Sicht die Umstände hinreichend geprüft worden sind.

Die zugrunde liegenden Ausführungsbestimmungen (1) sind nach unserer Einschätzung und der unseres Gutachtes ungeeignet, um mögliche Schäden abzuwenden, geschweige denn entsprechend zu entschädigen. Die hierfür notwendigen Beweissicherungen wurden nicht hinreichend durchgeführt. Versprochene Erhebungen z.B. für Gebäudesicherung sind bislang nicht erfolgt, weil die zugrunde liegenden hydrogeologischen Modellrechnungen angeblich keine Schäden erwarten lassen.

Da langjährige Auswirkungen in vergleichbaren Wassergewinnungsgebieten (2) einerseits und hier gemachte Gelände- und Wasserstandsbeobachtungen andererseits zeigen, dass Modellrechnungen nicht der Realität entsprechen, sahen wir uns gezwungen, gegen die Pumpversuche zu klagen.

Langfristig werden die Grundwasserresourcen schon jetzt gezerrt. Die zurückliegenden Jahre zeugen von einem dramatischen Verlust der Vorräte, sodass erhebliche Schäden bereits durch mehrjährige Pumpversuche von 0,5 bis 1,5 Millionen Kubikmeter Jahresförderung zu erwarten sind.

Aufgrund des Klimawandels sind die behördlichen Neubildungsraten veraltet:

Während es am 1. Oktober im südlichen Emsland noch durchgängig viel zu trocken war – im Oberboden (bis 25cm) vor allem aber im gesamten der Flora zugängigen Boden, d.h. bis 1,8 m Tiefe – ist dank der Niederschläge seit Oktober im südlichen Emsland in Bodennähe eine Entspannung eingetreten, insgesamt reichen diese aber weitem immer noch nicht aus:

2019-10-01 links: extreme bis außergewöhnliche Dürre,

rechts: noch ungewöhnlich trocken bis schwere Dürre

aus: ‘Gesamtboden_historisch_12_mon’ des UFZ in Leipzig
2019-12-01

In den umliegenden offiziellen Grundwasser-Messstellen wurden im unteren Förder-Stockwerk in den letzten 30 Jahren folgende Mittelwerte über Normal-Null erfasst (AQUAINFO, Stand 31.7.2019):

ML 3 112 (Falkenweg) 1991-1995: 29,20 mNHN 2016-2019: 28,95 mNHN
ML 2 128 (Zum Raming) 1991-1995: 30,90 mNHN 2016-2019: 30,60 mNHN
NLWKN 1026 (Zum Bolland) 1991-1995: 32,80 mNHN 2016-2019: 32,40 mNHN
… 30-jähriger Abfall um 25 bis 40 cm, auch schon ohne Förderung durch den Wasserverband

Die Grundwasserreserven haben sich nicht erholt, im Gegenteil: sie nehmen kontinuierlich ab.

Nicht nur Dürremonitor und Grundwassermessungen, sondern auch die langjährigen Verdunstungsmessungen des Deutschen Wetterdienstes zeigen in die falsche Richtung – diesmal nach oben:

Verdunstung

Auch wenn die Niederschläge sich normalisieren werden, werden diese aufgrund der steigenden Verdunstungsraten nicht zu den notwendigen Grundwasserneubildungen führen, welche der Genehmigung zugrunde liegen.

Eine langjährige Förderung wird nicht möglich sein. Schon Pumpversuche werden entsprechend den Erfahrungen aus den 1980er Jahren (3) zu weiteren Absenkungen führen, welche uns direkt betreffen.

Die jetzige Erlaubnis weist entscheidende Mängel auf:

  • Weite Gebiete wurden aus der bodenkundlichen Beweissicherung ausgeklammert

Auf Basis von Modellrechnungen wurden Gebiete, in denen der Grundwasserflurabstand für Acker >3m und für Wald >5m ausgewiesen wurden, nicht erfasst. Auch dort, wo das oberflächennahe Grundwasser angeblich von den Förder-Stockwerken entkoppelt ist, also sozusagen “schwebt”, fehlt die Beweissicherung.

Schließlich wurde die bodenkundliche Beobachtung auf das Gebiet beschränkt, aus dem rechnerisch das Wasser zu den Brunnen fließt. Dabei fehlen viele Gebiete im Norden und Osten, welche bereits in den 80er Jahren vom damaligen Niedersächsischen Landesverband für Bodenkunde (NLfB) als betroffen ausgewiesen worden sind (4).

  • Es wurde keine UVP durchgeführt

Trotz kartierter Umweltbelange im Bereich Flora & Fauna, betroffener Hofeichen, alter Gebäude und offiziell registrierter Brutvögelgebiete wurden diese in einer rasch durchgeführten Vorprüfung als nicht relevant eingestuft. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung hat nicht stattgefunden.

  • Beweislast liegt bei den Geschädigten

Während im Bergrecht der Vorhabenträger nachweisen muss, dass er Folgeschäden nicht verursacht hat, müssen in allen anderen Fällen die Geschädigten nachweisen, dass sie von dem jeweiligen Vor-haben herrühren. Das gilt also auch für uns im Falle von Schäden aufgrund von Pumpversuchen. Da nun aber wie oben erwähnt, die Beweissicherungsmaßnahmen und Ausführungsbestimmungen i.d.S. nicht ausreichen, haben wir uns entschieden, die Genehmigung in der vorliegenden Form anzufechten.

  • Alternativen wurden nicht ernsthaft geprüft

Obwohl eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung als ein hohes Schutzniveau für die Umwelt zu gewährleisten ist (5), ist eine alternative Prüfung der Wasserförderung aus anderen Quellen nicht hinreichend durchgeführt worden. Die Genehmigungsbehörde verweist hier zwar auf “nur Pump-versuche”, jedoch machen solche nur dann Sinn, wenn später auch dauerhaft gefördert werden soll.

Offensichtlich war die Behörde gar nicht willens, objektiv zu prüfen – Zitat aus der Erlaubnisschrift (1): “Es geht um das Sammeln von Daten in einem bestimmten Gebiet, hier Vorbehaltsgebiet ‘Lengerich-Handrup’.” Dieser Verweis überrascht, als Lengerich-Handrup im gültigen Landes-Raumordnungs-programm (LROP) gar nicht als Vorranggebiet für Trinkwasser verzeichnet ist (6).

  • Abbruchkriterien wurden trotz Forderung nicht definiert

Die Genehmigungsbehörde hat keine objektiven Abbruchkriterien eingefordert, und so bleibt uns nur der Weg, auf gerichtlichem Wege die Pumpversuche zu verhindern.

Also haben wir fristgerecht Anfang April eine Klage gegen die Erlaubnis (1) eingereicht und Anfang Juni begründet.

Die Klage betrifft unsere •Agrar- und •Forstbestände, •Solitärbäume bzw. Baumgruppen, •Biotope, FFH und Brutflächen im Privatbesitz, sowie •Gebäude, im Einwirkbereich der Brunnen. Hierfür haben wir Drittschutz geltend gemacht.

Der beklagte Landkreis hat seine Antwort hierauf Ende September bei Gericht eingereicht. Die Stellungnahmen der Gutachter des beigeladenen Wasserverbandes haben wir Mitte Oktober erhalten, auf die wir aktuell dem Gericht gegenüber antworten.

Da einerseits weder der Wasserverband als Antragsteller noch der Landkreis als Genehmigungs-behörde die durch den Klimawandel bereits eingesetzte Verringerung der Grundwasservorräte zu berücksichtigen scheint und offensichtlich ungeachtet dessen die Pumpversuche durchführen will, und andererseits weder wir direkt Betroffene noch die Gemeindevertreter einen unmittelbaren Einblick in die Untersuchungsergebnisse und hier vor allem der Grundwasserspiegelstände erhalten sollen, sehen wir uns gezwungen, zusätzliche Grund-wassermessstellen in der Nähe der Förderbrunnen einzurichten, sodass wir tagesaktuell die Grund-wasserspiegelstände erfassen und rechtzeitig reagieren können, bevor Natur, Fauna & Flora sowie unser Hab und Gut unwiederbringlich geschädigt wird.

Der Wasserverband hat den Bau der Versorgungsleitungen zu und Rohwasserleitungen von den drei Förderbrunnen nahezu abgeschlossen. Diese dauern seit Anfang Mai an, also nun schon acht (!) volle Monate.

Im Falle der wahrscheinlichen Erkenntnis, dass in Lengerich-Handrup nicht dauerhaft gefördert werden kann, wird der Wasserverband diese Investition wie auch die bisherigen bereits seit 2013 laufenden Erschließungskosten wohl abschreiben müssen.

Zusammengestellt von: AG Unser Wasser, Dezember 2019

Quellenverzeichnis:

(1) Erlaubnis des Landkreises Emsland vom 11-Feb-2019 gem. §12 Wasserhaushaltsgesetz […] zur befristeten Entnahme von Grundwasser für Pumpversuchszwecke im geplanten Wasser-gewinnungsgebiet Lengerich-Handrup […] für die Trink- und Brauchwassergewinnung im Versorgungsgebiet des Wasserverbandes Lingener Land (WVLL)

(2) https://www.jens-richter-verden.de/2019/04/03/verdener-gespraech-trinkwasserfoerderung/ https://www.wochenblatt.com/landwirtschaft/nachrichten/brochterbeck-streit-ums-wasserrecht-8864604.html http://www.iguvw.de/index.php/schaeden-durch-grundwasserabsenkung/schaeden-an-der-natur

(3) LBEG – Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (1983): Ergebnisse Pumpversuch Okt. 1983 Br. 135/82; Archiv LBEG (0116760.4.pdf). Hannover, Oktober 1983

(4) NLfB – Beweissicherung Lengerich/Lingen (Ergänzg.v.Gutachten1984) – Bodenkartierung 1985 /U-Abt..N21, Lage d.Gebietes: TK25, Bl. 3411

(5) Bewirtschaftungsgrundsätze nach § 6 WHG; Alternativenprüfung nach §31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WHG, kommentiert vom Umweltbundesamt

(6) Niedersächsisches Landesraumordnungsprogramm LROP-VO 2017, Anlage 2